TYPO3 Extension Entwicklung - (k)ein nachhaltiges Geschäftsmodell?

TYPO3 Extension Entwicklung - (k)ein nachhaltiges Geschäftsmodell?

Sicherlich stimmt es, dass erfolgreiche TYPO3-Extensions die Sichtbarkeit für Unternehmen erhöhen und damit auch die Reputation und Kompetenz nach außen verbessern. Es stimmt auch, dass darüber wertvolle Anfragen entstehen und zum Teil bezahlte Aufträge für Feature X oder Y der Erweiterung entstehen. Doch davon kann keine Firma langfristig überleben. Warum ist das so?

Vielleicht sollten wir damit beginnen, die Vergangenheit zu betrachten. Wie hat alles begonnen? Das TYPO3 Ökosystem ist Gang gekommen mit der Einführung des Extension Managers. Das uns so vertraute Modell war damals neu und erlaubt es bis heute den Funktionsumfang von TYPO3 zu ergänzen oder zu ändern. Doch der Extension Manager ist mehr. In Verbindung mit dem TER (https://extensions.typo3.org) ist dieser auch ein Schaufenster für das gesamte Ökosystem. Vor allem in den Anfangsjahren war eine gut funktionierende Extension das beste Mittel für Selbstmarketing und damit für neue Leads.

Hier etablierte sich auch das "Feature getriebene" Geschäftsmodell. Nutzer fragen neue Funktionen an und der Entwickler kann damit sein Brot verdienen. Das funktioniert anfangs ziemlich gut und befeuert sich gegenseitig. Gute neue Funktionen locken mehr Nutzer. Mehr Nutzer haben mehr Bedürfnisse, was wieder in neuen Feature-Anfragen endet.

Schön wäre es, wenn es immer so weitergehen könnte. Aber alles entwickelt sich weiter. Auch Einzelkämpfer werden kleine Unternehmen, die, wenn alles klappt, auch wachsen. Aus einfachen Extensions werden umfangreiche Lösungen mit vielen tausend Zeilen Code. Code der nicht mehr einfach so nebenher gewartet werden kann. Und Mitarbeiter, deren Passion es nicht unbedingt ist, in der wenigen Freizeit auch noch für TYPO3 zu programmieren.

Und hier beginnt das eigentliche Problem. Viele Erweiterungen sind mittlerweile mehr oder minder Feature Complete und auch in vielen Projekten im Einsatz. Die Erwartungshaltung der Nutzer ist, dass für alle neuen TYPO3 ELTS Versionen auch kompatible Versionen dieser Extensions zur Verfügung stehen sollten. Und natürlich muss so eine Erweiterung fehlerfrei sein und ja, Pull Requests sollen am besten auch in Echtzeit reviewed und gemergt werden. Was dabei gerne übersehen wird: Das alles kostet Zeit. Entweder Freizeit oder Arbeitszeit. Im letzteren Fall kostet es damit auch Geld (in Form Lohn und gleichzeitig auch Opportunitätskosten in Form von verlorenen Umsatz).

Ich bin der Meinung, dass wir für unser Ökosystem ein funktionierendes Geschäftsmodell entwickeln müssen, damit wir die Vielfalt und Qualität der Extensions hoch halten können.

Welche Lösungsansätze haben wir denn eigentlich?

  1. Die TYPO3 Association soll es richten. Wir könnten einen Teil des Budgets auch für das Extension-Ökosystem nutzen. Hört sich sehr einfach an, wäre aber aus meiner Sicht der falsche Weg. Die Mittel sind ohnehin sehr begrenzt und ich denke, mit dem Fokus auf Core Entwicklung, Bildung und Forschung erreichen wir langfristig mehr.
  2. Paywall: Dann verkaufen wir die Extensions doch einfach. Hört sich logisch und einfach an. Die Umsetzung ist dann schon etwas schwieriger. Die würde bedeuten, dass man einen Verkaufsprozess, passende Supportangebote und auch eine Strategie wie man mit Upgrades angeht, benötigt. Wir selbst haben diesen Weg ausprobiert und es funktioniert für einzelne Lösungen, die einen besonderen USP bieten. Ein Hauptproblem liegt auch darin, dass eine Mehrzahl in der Community Open Source immer noch mit “Free Beer” gleichsetzen. Für uns funktioniert die Vermarktung des Content Publishers. Dabei ist auch immer eine Wartungsvereinbarung je Kunde obligatorisch. Somit können wir auch eine kontinuierliche Weiterentwicklung gewährleisten. Für den Vertrieb weniger komplexer Lösungen ist auch t3terminal von Nitsan ein potentieller Kanal. 
  3. Freemium Modell: Eine Mischung aus freier Verfügbarkeit und kostenpflichtiger Add-Ons lebt uns DkD mit SOLR vor. Wir selbst machen das ähnlich mit Lux. Hierbei gibt es Basisfunktionen kostenfrei über das TER und einzelne Spezialfunktionen können zugekauft werden. 
  4. Crowdfunding: Freiwillige finden sich zusammen, um eine Funktion gemeinsam zu entwickeln. Auch dieses Modell hatten wir bereits mehrfach in der Community mit unterschiedlichen Erfolgen. Grundsätzlich kann man sagen, dass dieser Weg schön wäre, in der Praxis aber viel Zeit kostet. Wir nutzen diesen Weg aktuell primär, um freie Bestandsextensions kompatibel zu machen. D.h. wenn es Nachfrage zu einer Erweiterung gibt, versuchen wir das über unsere eigenen Kunden und über die Community zu finanzieren. Dennoch kostet es viel Zeit und führt nicht immer zum Ziel.
  5. Verified extensions & integrations for TYPO3: Das Konzept nehme ich hier der Vollständigkeit halber auf. Die Idee wurde Mitte 2021 von der TYPO3 GmbH veröffentlicht. Dabei sollen "verified extensions" besonders gekennzeichnet werden und damit auch eine bessere Sichtbarkeit für die Unternehmen (bzw. Autoren) dahinter bringen. Ein verbessertes Marketing wäre hierbei der Haupt-Benefit. Die Auflagen dazu sind jedoch relativ hoch (was aus meiner Sicht auch gut ist). Einen festen Einkommensstrom kann ich dabei aber nicht erkennen.

Wie könnte also ein tragfähiges Konzept aussehen, das die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse abbildet? Ziel sollte sein dass:

  • Extensions weitestgehend frei verfügbar bleiben
  • Qualitätsstandards und Sicherheitsstandards hoch bleiben
  • Contribution gefördert bzw. belohnt wird
  • Frühe Verfügbarkeit von Extensions für neue Hauptversionen gewährleistet wird
  • Sichtbarkeit an einer zentralen Stelle erhalten bleibt (TER)
  • Autoren eine bessere Vergütung für ihre Leistung erhalten (unabhängig von Feature Releases)

Es gab ja auch schon den Ansatz eines zentrales Marketplace für TYPO3 (in der Art wie Nitsan es aktuell anbietet). Ich denke aber, das bildet den Open Source Gedanken nicht vollständig ab. Meine Vorstellung könnte eine Mischung aus dem "Verified extensions & integrations for TYPO3" Ansatz, Crowd Funding und fest definierten Supportleistungen sein.

Meine Idee besteht aus folgenden Bausteinen: Die Umsetzung könnte auf Basis des aktuellen TER in Verbindung mit der bestehenden E-Commerce Plattform der TYPO3 GmbH erfolgen. Autoren könnten sich dann einem angepassten "Verified extensions & integrations for TYPO3" Programm anschließen, welches noch um einige Komponenten ergänzt wird:

  • Sichtbarkeit der Contribution: Autoren und Contributoren zu Extensions sollten eine verbesserte Sichtbarkeit innerhalb der TYPO3 Community erhalten. Das kann zum Beispiel in Form von öffentlichen persönlichen Profilseiten erfolgen. Firmen sollten die Contributions ihrer Mitarbeiter sammeln können. Ziel ist es dabei, die Teilnehmer in der Community mit Sichtbarkeit und Auszeichnen zu belohnen, die auch viel für das Ökosystem beitragen. Das Ganze sollte natürlich auch in andere Bereiche (Core Contribution, Team Contribution, …) weitergetragen werden.
  • Pull requests: Die Bearbeitung von Pull requests (PR) kostet Zeit. Es muss geprüft werden, ob die gelieferte Qualität passt, ob die Funktionsänderung sinnvoll ist und ob die Dokumentation aktualisiert werden muss. Daher sollte die Bearbeitung von PRs auch über einen standardisierten Weg bezahlt werden können. D.h. derjenige, der einen PR erstellt, sollte diesen auch finanzieren. Wenn es der PR Autor selbst nicht machen möchte, könnte es über die Community finanziert werden. Wichtig dabei ist, dass für alle immer transparent ist. 
  • Issue Handling (Features / Bugfixes): Neue Issues und Feature Requests sollten immer geprüft und bewertet werden. D.h. zur Umsetzung des Issues kann ein Pricetag hinterlegt werden, so dass sich auch verschiedene Nutzer zusammenfinden können, um das konkrete Thema zu sponsern. Es muss durch den Autor aber auch immer klar kommuniziert werden, wenn z.B. ein Feature abgelehnt wird, damit keine unnötigen PRs erzeugt werden. 
  • Release Handling (minor / major): Releases kosten ebenfalls Zeit. Es müssen dabei mehr Tests, z.T. auch für verschiedene TYPO3 Versionen durchgeführt werden. Daher sollte es möglich sein, auch für Releases Mittel zu finden. Ein Weg wäre beispielsweise, ähnlich wie es mit Patreon funktioniert, Extensions auch dauerhaft zu supporten, so dass auch regelmäßige Releases möglich sind. Aber auch hier gilt es, das Augenmerk auf Transparenz und Zweckgebundenheit zu legen. Mit diesen Mitteln sind auch Verpflichtungen enthalten, dann auch Releases durchzuführen. Gerade die größeren Upgrades könnten damit transparent finanziert werden.
  • Support Garantie / Professional Support: Dringende Supportanfragen sollten von den Nutzern via kostenpflichtigem Support zu festen Konditionen gelöst werden. Dabei sollte der primäre Ansprechpartner der Autor sein. Ist dieser nicht verfügbar (oder bereit), sollte es an "Support Professionals" über die Plattform weitergereicht werden können. Natürlich sollte es auch immer kostenfreien Community Support geben. Dazu sollte es über die Extensions fest definierte Foren geben (z.B: talk.typo3.org)
  • Eskalationsmanagement: Wenn man als Autor an dem Programm teilnimmt, sollte es auch ein Eskalationsmanagement geben. Wenn sich beispielsweis der Autor nicht mehr regelkonform verhält, muss es möglich sein, dass der Extensionkey entzogen werden kann. Das gewährleistet eine verbindliche Verfügbarkeit und eröffnet Weiterentwicklungsmöglichkeiten für die Community.

Was haltet ihr von der Idee? Ich bin gespannt auf Euer Feedback. Schreibt mir auf Twitter @in2code_stefan #typo3-professional-extensions. Vielleicht schaffen wir es ja, ein nachhaltiges und transparentes Modell für TYPO3 Extension-Entwicklung aufzubauen.

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